Zahlreiche Oldtimerfans und Schaulustige fanden sich am Samstag an den sieben Stationen – davon Pfungstadt, Mühtal, Dieburg und Groß-Umstadt im Kreis – der Nibelungenfahrt ein, um einen Blick auf die teils mehr als 80 Jahre alten Gefährte zu werfen.
DARMSTADT-DIEBURG.
Ein wenig an ein Freilichtmuseum erinnert das Bild, das sich am noch wolkigen Samstagmorgen auf dem Gelände der Pfungstädter Brauerei bietet: Rund 140 Oldtimer versprühen den Charme längst vergangener Tage, die Fahrer zeigen ihren ganzen Stolz. So statisch bleibt die Atmosphäre aber nur kurz, denn ab 9 Uhr starten die Fahrzeuge im Minutentakt ihre 180 Kilometer lange Tour durch Südhessen.
Auch Bernd Greiss wirft den Motor seines 86 PS starken Daimler DB 18 aus dem Jahr 1951 an, die Fahrt beginnt. Recht laut ist es in dem Cabriolet und Greiss hat mit dem Lenken und Schalten gut tun. Automatik und Servolenkung sind schließlich Erfindungen neuerer Zeit. Den Weg weist ihm sein Beifahrer Ralf Kempf, ein Freund und Nachbar, der die Begeisterung für das historische Fahrzeug teilt. Mit Karte und der Streckenbeschreibung bewaffnet müssen die Teilnehmer, wie bei einer Rallye üblich, an jeder Kreuzung selbst herausfinden, wo es lang geht.
Die Nibelungenfahrt, die der Renn- und Touring Club Eberstadt (RTCE) bereits zum 27. Mal veranstaltet, beginnt in Pfungstadt auf dem Gelände der Brauerei, von hier aus führt die Strecke zunächst nach Mühltal, dann geht es über Zwingenberg nach Bensheim. Die folgende, längere Etappe durchquert Teile des Odenwalds. Nach einer Mittagspause in Dieburg geht es nach Groß-Umstadt und Breuberg-Sandbach, von dort aus machen sich die Fahrer auf den Rückweg zur Pfungstädter Brauerei.
Das Tempo ist nicht das Wichtigste
Die meisten Etappen führen durch den Wald, durch kleine Dörfer und über Landstraßen. Der Grund für diese Streckenführung wird jedem Mitfahrenden schnell klar. Es geht nicht schneller als mit rund 70 Stundenkilometern voran, die meiste Zeit über langsamer. „Um Tempo geht es aber auch gar nicht“, sagt Greiss. Vorausschauend fahren muss er aber trotzdem: Kurven müssen „eingeplant“ werden, bis sich das Fahrzeug abbremsen lässt, ist ein wenig Vorlauf nötig und der Wendekreis ist groß. Bei Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Strecke muss Greiss aufpassen: Sein Fahrzeug wurde in Australien gefertigt und zugelassen, so dass er die Meilen-Angaben auf dem Tacho in Kilometer pro Stunde umrechnen muss.
„Ich fahre so oft es geht und das Wetter schön ist“, sagt der Oldtimerfan. Wenn es zu kalt sei und er nur mit geschlossenem Verdeck fahren kann, mache es nicht so richtig Spaß und das Sichtfeld sei stark eingeschränkt. „Eine Heizung hat das Auto gar nicht, in Australien hat man die schließlich nicht gebraucht“, erklärt er. Zugelegt hat sich Greiss das Auto im Jahr 2013, Reparaturen macht der 61-jährige Unternehmensberater mit seinem Freund Ralf Kempf, der KFZ-Meister im Ruhestand ist, selbst. Die gingen aber ganz schön ins Geld und Ersatzteile seien kaum noch zu bekommen. Auch als „grünen Engel“ könne man den Daimler sicher nicht bezeichnen, denn 18 Liter Sprit seien nun mal nicht sehr sparsam. Dafür sei es ein tolles Gefühl und Neid gebe es nicht, nur Anerkennung.
Das zeigt sich auch in den Orten, durch die die Oldtimertour führt. Hier stehen Schaulustige bereit, Moderatoren geben genauere Infos über die vorbeiziehenden Autos und ihre Fahrer. In Dieburg wird ein längerer Stopp eingelegt. Denn darum, als schnellster ins Ziel zu gelangen, geht es hier nicht. Einige typische Elemente einer Rallye gibt es aber trotzdem: Bei Gleichmäßigkeitsprüfungen sollen die Fahrer für eine kurze Strecke möglichst exakt eine bestimmte Geschwindigkeit halten. Bei Orientierungsaufgaben muss der genaue Streckenverlauf ohne Beschreibung herausgefunden werden. Wer das am besten macht, wird Gesamtsieger. Für die meisten Fahrer sei die Tour aber trotz solcher Aufgaben als reines Freizeitvergnügen, nicht als Wettkampf gedacht, erklärt Lothar Bartuschat vom RTCE. Für den Verein sei es außerdem eine schöne Gelegenheit, sein 50-jähriges Bestehen zu feiern.
Auch Greiss nimmt die Nibelungenfahrt eher als Gelegenheit, sich mal wieder mit Gleichgesinnten vom Charme der Vergangenheit gefangen nehmen zu lassen. Er ist das erste Mal bei der Tour durch Südhessen dabei, die in der Region die größte Oldtimerfahrt ist. Bei der Gesamtwertung landet er am Ende auf dem 108. Platz, den Sieg unter den „Nichtprofis“ holen dieses Jahr Klaus und Florian Reuter mit ihrem Triumph TR6.
Am Sonntag gab es noch einmal die Gelegenheit, historische Fahrzeuge in Pfungstadt beim Oldtimertreff des RCTE zu betrachten.
Quelle Text: www.echo-online.de